In vielen Alltagsunfällen wird der menschliche Körper in Mitleidenschaft gezogen, z. B. durch Abtrennung einzelner Gliedmaßen. Hier stellt sich oft die Frage, ob es ein Unfall oder Selbstverstümmelung zum Nachteil der Versicherer war.
Anhand realer Versuchsdurchführungen in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Rechtsmedizinern kann eine Überprüfung der Plausibilität stattfinden. Auch kann geprüft werden, ob der vorgetragene Hergang technisch nachvollziehbar ist.
Versuchsunterstützte Unfallrekonstruktion auch außerhalb von Verkehrsunfällen
In machen Fällen, auch außerhalb der Verkehrsunfallrekonstruktion, nehmen die Ermittlungsbehörden Unterstützung von Sachverständigen in Anspruch. Es soll dabei rekonstruiert werden, ob z. B. eine Bremsleitung absichtlich durchgeschnitten (Mordversuch), eine Person von der Brüstung hinuntergeworfen wurde oder selbst gesprungen ist, oder ob ein Fahrrad von einer Beschuldigten vom Balkon eines Hochhauses bis an eine bestimmte Aufprallstelle geworfen werden konnte. Auch kann ermittelt werden, ob die detaillierte Beschreibung einer im Pkw vergewaltigten Frau mit den technischen Gegebenheiten in Einklang gebracht werden können.
Durch systematische Analyse der vorgetragenen Bewegungsabläufe unter Berücksichtigung der Beschädigungen von Bauteilen kann theoretisch und/oder versuchstechnisch eine Lösung erarbeitet werden.
Absichtlich herbeigeführte Kollision oder Versicherungsfall?
Kommt es bei Verkehrsunfällen zu erheblichen Verletzungen im Bereich der äußeren Extremitäten, so dass diese ggfs. amputiert werden müssen, entstehen schnell hohe Kosten für die zuständige Versicherung. Neben dem Unfallhergang kann für die Versicherung von entscheidender Bedeutung sein, ob es sich bei dem Schadenereignis um einen zielgerichteten Unfall mit Selbstmordabsicht gehandelt hat.
Im dargestellten Fall geriet ein Pkw-Fahrer an einer Straßenabzweigung, die sich im Bereich einer Rechtskurve befindet, geradlinig gegen einen Baum. Fahrversuche vor Ort haben gezeigt, dass die Linkskurve maximal mit 55 km/h, die Rechtskurve maximal mit 65 km/h durchfahren werden kann. Ein spezieller Crashversuch zeigt jedoch, dass die Kollisionsgeschwindigkeit bei etwa 100 km/h lag.
Ist im Rahmen der rechtlichen Wertung eine mögliche Reaktion des Pkw-Fahrers zu berücksichtigen, dann stellt sich bei der Anfahrt zur Kreuzung ein Reaktionsverzug von 2,5 s ein, für den es aus technischer Sicht keine Erklärung gibt.
Ladungsdiebstahl nach der "Rumänischen Methode"
In einem konkreten Fall sollte überprüft werden, ob der Diebstahl von 2.500 Handys während der Fahrt auf der Autobahn aus einem verschlossenen Sattelauflieger in einer Zeitspanne von 45 min möglich war. Erst beim nächsten Stopp auf dem Rastplatz habe der Fahrer den aufgebrochenen Auflieger und die gestohlene Ware bemerkt.
Recherchen haben gezeigt, dass Diebstähle dieser Art unter dem Namen „Rumänische Methode“ bekannt sind. Hierbei nähert sich ein Pkw dem vorausfahrenden Lkw auf einem Abstand von etwa 1 m. Der Beifahrer klettert auf die Motorhaube und springt auf das vorausfahrende Nutzfahrzeug, um anschließend die transportierte Ladung zu entwenden.
Die konkrete Situation wurde versuchstechnisch mit 60 Kartons á 6 kg in 5 Lagen auf einer Europalette nachgestellt und die Zeitdauer zum Aufbrechen des Lkw und dem Ladungsdiebstahl erfasst. Ebenso wurde untersucht, ob das Öffnen des Sicherheitsschlosses mit einem Trennschleifer für den Lkw-Fahrer aufgrund des Funkenflugs bei Nacht zu erkennen war.
Dipl.-Ing. Uwe Golder
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Wolfgang Pissarsky
Dipl.-Ing. Joost Wolbers
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dr. rer. nat. Jens Bastek
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Robert Dietrich
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dr. rer. nat. Tim Hoger
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen