Fußgänger- und Radfahrerunfälle erfordern aufgrund der häufig schweren Verletzungsfolgen für den ungeschützten Verkehrsteilnehmer eine detaillierte Rekonstruktion.
Mit diesen Anknüpfungspunkten erfolgt anschließend die Vermeidbarkeitsbetrachtung. Die Kernfrage ist dabei, unter welchen Umständen der Unfall für die Beteiligten vermeidbar gewesen wäre. Einer der wichtigsten Rekonstruktionsparameter ist dabei die sogenannte Längswurfweite, d. h. die Wurfweite des Fußgängers in Bewegungsrichtung des Pkw. Im Allgemeinen sind dabei insbesondere die Kollisionsgeschwindigkeit des Pkw, der Kollisionsort sowie das Bewegungsverhalten des Fußgängers zu rekonstruieren. Mit diesen Anknüpfungspunkten erfolgt anschließend die Vermeidbarkeitsbetrachtung, unter welchen Umständen der Unfall für die Beteiligten vermeidbar gewesen wäre.
Einer der wichtigsten Rekonstruktionsparameter beim Fußgängerunfall ist die sogenannte Längswurfweite, d. h. die Wurfweite des Fußgängers in Bewegungsrichtung des Pkw.
Um bspw. einen Beulenversatz feststellen und somit auf das Geschwindigkeitsverhältnis zwischen Pkw und Fußgänger schließen zu können, ist die Kontaktposition des Fußgängers beim Primärkontakt mit dem Pkw zu ermitteln. Da Fußgängerunfälle zum Teil unter widrigen Wetterbedingungen stattfinden (z.B. Regen, Dunkelheit), können Spuren auf der Oberseite des Fahrzeugs schnell vernichtet werden oder sind für die aufnehmenden Polizeibeamten nur schwer zu erkennen.
Mit steigender Kollisionsgeschwindigkeit ist es immer wahrscheinlicher, dass die Füße des Fußgängers beim Anstoß unter den Pkw gezogen werden und auf der Unterseite Wischspuren erzeugen, die i.d.R. durch die Bergung des Fahrzeugs unberührt bleiben. Gelegentlich kann aus den Wischspuren am Fahrzeugunterboden auch die Schrittweite des Fußgängers abgelesen werden, die Auskunft über die Bewegungsgeschwindigkeit des Fußgängers geben kann.
Die moderne Unfallrekonstruktion greift immer häufiger zu Crashversuchen, bei denen Dummys eingesetzt werden. Besonders entscheidend für die Eingrenzung der Kollisionsgeschwindigkeit des Pkw sind unter anderem die Fahrzeugbeschädigungen. Da sich im Laufe der Zeit nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die Fußgänger-Dummys weiterentwickelt haben, gilt bei der Verwendung von vorhandenen Versuchen für die Unfallrekonstruktion ein besonderes Augenmerkt auf die Art des gecrashten Dummys zu legen und die Ergebnisse des Versuchs dahingehend zu bewerten.
Besonders entscheidend für die Eingrenzung der Kollisionsgeschwindigkeit des Pkw sind u.a. die Fahrzeugbeschädigungen, die anhand moderner Crashversuche mit biofidelen Dummys nachgestellt werden können.
Die strukturharte Bauweise der ursprünglichen Dummys hat einen massiven Einfluss auf das Schadenbild am Pkw. Nach Untersuchungen von Kortmann fallen die Beschädigungen am Pkw bei einer Kollision mit einem biofidelen, menschenähnlichen Dummy bei gleicher Kollisionsgeschwindigkeit tendenziell geringer aus als die Schäden, die bei einem Zusammenstoß mit einem konventionellen Dummy erzeugt wurden. Entspricht der Schaden aus dem Crashversuch mit konventionellem Dummy den Beschädigungen des Fahrzeugs im Unfallgeschehen, so ist die Kollisionsgeschwindigkeit aus dem Crashversuch nach oben zu korrigieren.
Insbesondere im Übergangsbereich zwischen mittleren und hohen Kollisionsgeschwindigkeiten von 65 … 70 km/h kommt es bei gleicher Anstoßkonfiguration und Kollisionsgeschwindigkeit an der Dachkante zu deutlich unterschiedlichen Schadenbilder.
Bei Fahrradunfällen resultiert der überwiegende Teil der Personenschäden aus Pkw-Anstößen im Frontbereich. Ebenfalls für ein erhöhtes Verletzungsrisiko sorgen Stürze auf das Rad selbst, beispielsweise auf den Lenker oder andere hervorstehende Fahrzeugteile.
Die Kinematik eines Fahrradfahrers während der Kollision mit einem Pkw und die resultierenden Verletzungsmechanismen durch den Unfall zeigen bei vielen Anstoßkonfigurationen Gemeinsamkeiten mit dem Bewegungsablauf eines frontal angefahrenen Fußgängers. Entsprechend haben sich bei der Rekonstruktion von Fahrradunfällen ähnliche Anknüpfungspunkte wie beim Fußgängerunfall (Wurfweite, Beulenversatz am Pkw, Schadeneintrag usw.) etabliert.
Hinweise auf eine Anstoßrichtung finden sich am Fahrrad durch die Art der Felgendeformation sowie im gewissen Rahmen über die Sattel- und Lenkerverdrehung. Am Pkw treten in der Regel verschiedene Kontaktspuren auf, die einzelnen Fahrradbauteilen und dem auf der Motorhaube aufgeladenen Aufsassen zugeordnet werden können.
Für die Biomechanik des Fahrradfahrers ist im Wesentlichen die Art und Weise des Aufladen relevant und damit der Anstoßwinkel sowie die Anstoßgeschwindigkeit.
Aufgrund der erhöhten Sitzposition eines Fahrradfahrers wird der Anstoß des Pkw im Wesentlichen am Fahrrad eingeleitet. Die ebenfalls erhöhte Schwerpunktlage führt dazu, dass die jeweiligen Bewegungsabläufe beim Fahrradunfall bereits auf geringeren Geschwindigkeitsniveaus als bei Fußgängerkollisionen zu beobachten sind. Bei dem Vergleich ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Aufsasse während des seitlichen Anstoßes eines Pkw mit dem stoßzugewandten Bein zwischen dem Frontstoßfänger und seinem Fahrrad eingeklemmt werden kann, was die Aufwurfweite auf der Motorhaube verringern kann. Außerdem ist die Aufwurfweite davon abhängig, wie doch der Sattel positioniert wurde und maßgeblich von der Fahrzeugform des Pkw abhängig und somit kein verlässliches Maß in der Unfallrekonstruktion.
Der Sturz eines Fahrradfahrers bei einem Alleinunfall lässt sich in vielen Fällen mit einem seitlichen Umsturz beschreiben. Hierbei prallt der Fahrradfahrer dann mit der Körperseite, d.h. mit der Hüfte, einem Arm und vor allem mit der Schulte und dem Kopf auf. Bei entsprechenden Versuchen konnten Kopfbeschleunigungen beim Aufprall ohne Helm von über 300 g gemessen werden ( g = 9,81 m/s²). Bei der Verwendung eines Fahrradhelms verringerte sich die Belastung unter gleichen Bedingungen auf maximal 220 g.
Insgesamt kann die Schutzwirkung von Helmen darauf reduziert werden, einen kurzen, sehr harten Stoß durch die Deformation in einen längeren und abgeschwächten Stoß umzuwandeln und mögliche lokale Stöße auf eine größere Fläche des Schädels zu verteilen.
Eine klare Aussage, welchen Einfluss die Verwendung eines Helms in einem konkreten Fall gehabt haben könnte, ist im Allgemeinen nicht möglich.
Dr. rer. nat. Tim Hoger
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Phys. Annika Kortmann
ö.b.u.v. Sachverständige der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Uwe Golder
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dr. rer. nat. Ingo Holtkötter
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Joost Wolbers
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Robert Dietrich
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Phys. Severin Schlottbom
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dr. rer. nat. Jens Bastek
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Thilo Romberg
Dr. rer. nat. Steffen Rieger
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen