Mit Lkw-, Bus- und Nutzfahrzeugen ereignen sich häufig sehr schwere Verkehrsunfälle. Das hohe Schadenausmaß ist, vor allem auf die im Vergleich zu Pkw, sehr viel höheren Massen der Nutzfahrzeuge und Busse und durch die mangelnde Kompatibilität der Fahrzeugstrukturen zu erklären.
Schwere Unfälle von Nutzfahrzeugen ereignen sich dagegen häufiger im gleichgerichteten Verkehr, also auf Autobahnen oder mehrspurigen Bundesstraßen. Typische Szenarien zur Entstehung eines Unfalles sind hier die Annäherung eines Lkw an ein Stauende oder ein Lkw-Spurwechsel. Aber auch Unfälle im Baustellen- und Schwerlastverkehr sowie Unfälle mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen zählen zu den Nutzfahrzeugunfällen. Die Unfalltypen sind sehr vielfältig.
Neben der eigentlichen Unfallanalyse sind hierbei oft auch Untersuchungen der technischen Einrichtung der Fahrzeuge sinnvoll und notwendig.
Geschwindigkeitsbestimmung bei Lkw und Bussen
Bei Pkw-Unfällen können in der Regel die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge anhand der Fahrzeugschäden unter Beiziehung von Crashtests ermittelt werden. Diese Methode ist bei Lkw und Nutzfahrzeugen oft nicht möglich, da nur sehr wenige Crashtests mit solchen Fahrzeugtypen zur Verfügung stehen und oftmals der Beladungszustand der Lkw unklar ist. Die starke Massenbandbreite des Fahrzeugs (beladen/unbeladen/teilbeladen) kann jedoch einen entscheidenden Beitrag zur Höhe der Kollisionsgeschwindigkeit liefern.
Zur Geschwindigkeitsbestimmung empfiehlt es sich daher die Diagrammscheibe des Lkw zu berücksichtigen, falls sie vorhanden ist. Dabei wird die Diagrammscheibe nachträglich mikroskopisch untersucht. Erschütterungen durch eine Kollision können teilweise auf den Diagrammscheiben erkannt werden. Durch die Einführung neuer EG-Kontrollgeräte wurde die klassische Diagrammscheibe durch digitale Aufzeichnungen der Fahrzeuggeschwindigkeiten abgelöst. Die Daten liegen entweder mit einer Aufzeichnungsrate von 1 Hz (1 Datenpunkt pro Sekunde) oder 4 Hz (4 Datenpunkte pro Sekunde) vor.
Auch Busse verfügen über digitale Geschwindigkeitsaufzeichnungen, die für die Unfallanalyse herangezogen werden können.
Ausschwenken beim Abbiegen mit selbstlenkenden Achsen
Das seitliche Ausschwenken von Sattelaufliegern mit selbstlenkenden Achsen bei Abbiegevorgängen von Sattelzügen kann etwa doppelt so groß sein, wie bei Standard-Sattelaufliegern mit ungelenkten Achsen. Dieses Fahrverhalten wird dabei auch von den Kraftfahrern selbst nicht immer richtig bzw. nur unzureichend eingeschätzt, so dass es gerade im innerstädtischen Bereich immer wieder zu Unfällen kommt.
Wenn es im Rahmen der rechtlichen Aufarbeitung eines Unfalls mit einem ausschwenkenden Heck, beispielsweise eines Sattelaufliegers, kommt, ist es zwingend erforderlich, im Rahmen der Rekonstruktion des Unfalls, die genaue Fahrkurve des Sattelaufliegers zu erarbeiten. Für den Standard-Sattelauflieger, so wie er häufig auf deutschen Straßen unterwegs ist, wurde dies bereits mehrfach gemacht, sodass die entsprechenden Fahrkurven in engen Grenzen bekannt sind.
Anders verhält es sich hingegen bei Sattelaufliegern, die mitlenkende Achsen verbaut haben.
Beeinflussung des Fahrverhaltens von Lkw durch die Fahrbahn
Bei der Entstehung von Auffahrkollisionen durch Lkw stellt sich immer wieder die Frage zur Unfallvermeidbarkeit. Kommt es dann noch zum Auffahren eines Lkw gegen ein auf dem Seitenstreifen abgestelltes Fahrzeug unter einem nennenswerten Winkel, so liegt die Vermutung nahe, dass eine aktive Lenkbewegung des Lkw-Fahrers in Richtung Seitenstreifen vorgelegen haben muss.
Fahrversuche mit einem Gliederzug vor Ort haben jedoch gezeigt, dass es aufgrund der dortigen Fahrbahnunebenheiten zu einem eigenständigen Lenkvorgang des Gliederzugs nach rechts kommt, sobald der Fahrer das Lenkrad loslässt.
Verletzungspotential in Bussen beim Ein- und Aussteigen
Bei Unfällen mit Bussen liegt nicht nur ein Verletzungspotential für die unangegurteten Insassen bei einem starken Bremsmanöver oder einer Kollision vor. Beim Ein- und Aussteigen kann es zum Einklemmen von Gegenständen oder Körperteilen in den Bustüren kommen. Die hierbei auftretenden Schließkräfte der Tür lassen sich mittels einer Kraftmessdose bestimmen und anhand der vorgegebenen Norm überprüfen.
Wolfgang Pissarsky
Dr. rer. nat. Tim Hoger
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Uwe Golder
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Robert Dietrich
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dr. rer. nat. Jens Bastek
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dr. rer. nat. Ingo Holtkötter
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Joost Wolbers
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Phys. Severin Schlottbom
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Thilo Romberg
Dr. rer. nat. Steffen Rieger
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen